“Am Samstagabend würde ich gleich mal eure zwei Busse brauchen.“ offenbarte mir ein alter Kollege. Ich kenne ihn schon seit 15 Jahren, da war er noch mit seinem Taxi unterwegs. Jetzt hat er verdienterweise dickes Geschäft mit seiner schwarzen S-Klasse.
An der Tankstelle habe ich ihm einen Kaffee ausgegeben. Als er dabei von unserem Viano erfuhr, wurde er gleich hellhörig. Einen Viano? Schwarz? Dunkle Scheiben? Leder? Dafür hatte er gleich Verwendung. Er hätte vier Fahrten. Um 17:00 Uhr von München zum
-> Tegernseer Tal mit zwei Kleinbussen und nachts wieder zurück. Ein Bus um 1:00 Uhr und der Zweite um 2:00 Uhr.
Zunächst kann das ja alles sein; eine Familienfeier, eine Hochzeit oder ein Betriebsausflug. Aber die teilweise Auflösung kam dann am nächsten Tag.
“Es geht zu der Ortschaft mit O … vor dem Tegernsee links rein… Wie heißt das noch gleich … beginnt mit O? Von München aus sind es 55 Kilometer … Wie viel verlangst du?“
“Ostin!“ werfe ich nach einer kurzen Zeit des rätseln ein.
“100,- €, pro Fahrt und Bus.“ In Ostin war ich schon mal mit dem Moderatorenteam eines Münchner Privatradiosenders bei einem
-> Seefest. Bei den (Neu-)Münchnern ist es schon seit einigen Jahren schick die Volksfeste, verkleidet als Heidi und Ziegenpeter, auf dem Land heimzusuchen. Angefangen hat das mit dem Dachauer Volksfest in den 90igern, dann über das Fünf-Seen-Land in das Voralpenland. Wenn das so weitergeht, sind sie 2030 bei uns dahoam.
Um 17 Uhr stehen wir bereit. Zwei Kleinbusse vor einem kultigen Lokal im Glockenbachviertel. Tatsächlich – da kommen schon unsere ersten Gäste. Lederhosen, karierte Hemden (Wer hat dem Schneider die Tischdecke gegeben?), Dirndl, Wegbier in der Hand – Ich kann mein Glück nicht fassen. Aber zugesagt ist zugesagt, da müssen wir durch. Der Organisator, Reise- oder Rädelsführer in Lederhosen mit weiß-blau kariertem Hemd, Plastiktüte voller Bierflaschen und zerbeulten Trachtenhut auf dem Kopf, nennt mir das Fahrziel:
“Wir fahren zum Waldfest nach Kreuth“
Aha! Kreuth kenne ich. Von den Waldfesten dort habe ich schon gehört. Verlegen starte ich Safari auf meinem iPhone. Jetzt muss mir Google helfen. Schnell gebe ich die Suchbegriffe Waldfest und Kreuth ein. Auf den ersten Blick kann ich die Adresse nicht finden. Wo soll den nur das Waldfest sein. Hätte ich das früher gewusst, hätte ich mich vorbereiten können.
Auf die Schnelle erfahre ich, daß das Waldfest an diesem Wochenende von dem Fußballverein FC Real Kreuth veranstaltet wird. Als einzige Ortsangabe finde ich Leonhardstoana Hof in Kreuth. Leonhardstoana Hof, genau so steht es da. Verstehen kann ich das schon. Ich bin auch der Einzige im Bus der das richtig aussprechen kann, aber ins Navi, ins Navi kann ich das nicht eingeben. Zu meiner Erlösung finde ich doch noch einen Kartenausschnitt mit einer Markierung auf einer Webseite. Immer wenn ich den Kartenausschnitt vergrößern will, verschiebe ich das Gebiet. Beim dritten Versuch kann ich die Straße Raineralmweg aufschnappen. Raineralmweg in Kreuth, das ist schon mal Navikompatibel. Beruhigt geht’s schon mal auf die Autobahn Richtung Salzburg – Ausfahrt Holzkirchen – ins Tegernseer Tal – in Gmund rechts – durch Bad Wiessee und durch Rottach-Egern – noch mal rechts nach Kreuth und … das Navi hätte ich mir sparen können. In Riedlern stehen schon die Reisebusse auf der Straße. Die freiwillige Feuerwehr hatte die Brücke über die Weißach abgesperrt. Uns lassen sie durch. Wir können den Raineralmweg ganz hinter, fast bis zur Rainer-Alm, fahren. Auf dem Weg zum Waldfest wurlt es geradezu vor Besuchern in Landhauskleidung. Meine Fahrgäste sind noch nicht ausgestiegen, werde ich von zwei Ehepaaren angesprochen. Ob ich dann frei wäre. Geduldig warten sie, bis ich mit meinen Fahrgästen die Modalitäten der Abholung besprochen habe.
Sie steigen zu. Sie wollen nach Bad Wiessee in ihr Hotel. Meine Frau ist schon vorausgefahren und wartet beim McDonalds in Rottach-Egern. Meine Fahrgäste sehen aus wie Bayern. Ihr Dialekt verrät sie, sie kommen aus Bremen und sind zur Sommerfrische in den Bergen. Ich kann mit meinen bescheidenen Kenntnissen der Bremer Stadtviertel und Gasthäuser aufwarten. Die Fahrt bringt mir 20,- €.
Die Fahrt vom Waldfest nach Bad Wiessee liegt genau auf meinem Heimweg. Diesmal muß ich zurück nach Rottach-Egern, dort wartet meine Frau im McDonalds. Ich selbst bin noch in meinem selbst auferlegten McDonalds-Bannjahr. Am 6.März habe ich in dem Fast-Food-Tempel vor meiner kleinen Tochter den Eid abgelegt McDonalds ein ganzes Jahr über nichts bei McDonalds zu essen. Ich darf aber die Lokale betreten um mit meinen Kollegen einen Kaffee zu trinken. Mein Eid soll uns nicht behindern. So bleibt es auch am Tegernsee bei nur einem Kaffee.
Als ich das innerhalb kürzester Zeit das dritte Mal durch Bad Wiessee fahre, fällt mir ein asiatisches Restaurant auf. Davor gibt es genug Platz mein Taxi zu parken. Sofort wende ich und parke direkt vor den Tischen vor dem Lokal. Asiatisch ist allemal besser als Fast-Food. Ich studiere die Speisekarte. Während sich die Wald-, Berg- und Seefestbesucher darüber austauschen ob man, wenn man schon mal hier ist, auch das Teegernseer Bier oder anderes trinken solle, könnte ich zwischen japanischen, vietnamesischen und chinesischen Bieren wählen. Könnte - als Taxifahrer gilt die 0,0 Promille Grenze. Ich gönne mir bei Mister Vu, so nennt sich der Asiate, den Klassiker schlechthin; Schweinefleisch süß-sauer. Beim Bezahlen bekomme ich noch einen Glückskeks.
Gutes kommt zu Denen, die warten; heißt meine Glücksbotschaft auf dem Papierstreifen in dem Gebäck. Wie geschaffen für Taxifahrer. Ich will hier aber nicht warten bis ich um 1:00 Uhr die letzte Fahrt zurück nach München mache. Ich mach mich auf den Weg zurück nach München. Schließlich kann ich am Samstagabend noch ein paar Stiche machen.
Um 22:00 Uhr rufen schon die Gäste an. Die erste Fuhre will schon um Mitternacht abgeholt werden. Das zweite Taxi soll um 1:00 Uhr kommen. Ich sage meiner Frau Bescheid. Sie macht sich gleich auf den Weg um pünktlich in Kreuth zu sein. Die spätere Tour übernehme ich. Nach einer Fahrt zum 4 Seasons in der Sonnenstraße mache ich mich auch auf den Weg zum Tegernsee. Unterwegs erreicht mich ein Anruf eines Fahrgastes. Ich verabrede mich mit ihm auf der Brücke über die Weißach in Kreuth. Der Rest der Truppe will weiter hinten am Eingang des Waldfestes warten. An der Brücke angekommen, halte ich Ausschau nach meinem ersten Fahrgast für den Rückweg. Wir finden uns nicht. Obwohl mein Taxibus dürfte auf der kleinen Brücke doch nicht zu übersehen sein.
Ich muß weiter, schließlich werde ich erwartet. Am Eingang des Waldfestes stehen schon acht meiner Fahrgäste. Acht hier, und noch den Gast von der Brücke? Das wird eng bei acht Fahrgastsitzplätzen in meinem VW-Bus Taxi. Ich rufe nochmal die Telefonnummer des Gastes von der Brücke an. Siehe da, es läutet in der Lederhosentasche eines meiner Gäste die vor mir stehen. Das geht sich genau aus. Acht Fahrgäste und der Brückenmann ist auch dabei. Wir sind keine 10 Minuten unterwegs. Auf der rechten Seite erscheint der McDonalds in Rottach-Egern. Ich lasse mich zu einer Pause überreden. Jetzt stehe ich wieder auf dem Parkplatz des Fast-Food-Restaurants. Diesmal bleibe ich am Taxi und hoffe, daß alle meine Gäste bald wieder vollzählig eintreffen. Auch diesmal kann ich der Versuchung wiederstehen. Die Fahrt geht weiter und nach einer weiteren Pinkelpause treffen wir wieder in München ein. In Höhe der Friedenstraße bleiben wir kurz stehen. Ein Fahrgast will noch in den Kunstpark Ost. Mit den anderen fahre ich noch in die Müllerstraße. Meine Fahrgäste beschließen dort den Abend noch in einem Lokal.
Ich mache mich gleich auf den Weg nach Hause. Meine Fahrgäste waren auf dem Rückweg laut aber erträglich. Ich war froh, daß ich alle wieder zurück nach München gebracht habe. Morgen werde ich am Taxistand lange warten um nur annähernd so guten Umsatz zu machen. Aber zu den Wartenden kommt ja schließlich das Gute!